Breiter. SCHLAUER. SCHNELLER?

Lange galt: Schmal ist schnell. Doch moderne Reifen- und Laufradtechnologie stellt diese Annahme auf den Kopf. Wer komfortabler, kontrollierter – und effizienter – fahren will, sollte Reifenvolumen, Reifendruck und Rollverhalten neu denken. Was dabei wirklich zählt, zeigen wir hier.

Road bike with fat tires and a sheep

1. Mehr Volumen = Weniger Druck

Je breiter ein Reifen, desto größer sein Luftvolumen – soweit bekannt. Aber wie stark der Effekt wirklich ist, lässt sich auch mathematisch belegen. Für die Berechnung betrachten wir den Reifen idealisiert als torusförmigen Hohlkörper (Torus-Volumen):

V=2⋅π2⋅r2⋅R

  • r: Querschnitts-Radius des Reifens = halbe Reifenbreite

  • R: Abstand des Reifenzentrums zur Felgenmitte (vereinfacht: Radius des Laufrads inkl. Reifen)

Da r2 in die Rechnung eingeht, steigt das Volumen quadratisch mit der Reifenbreite.

ABER: Warum weniger Druck bei mehr Volumen?

Physikalisch lässt sich der Zusammenhang einfach erklären: Druck ist Kraft pro Fläche – also

p = F / A

Das Gewicht von Fahrer:in und Rad wirkt als Kraft auf den Reifen. Diese Kraft muss vom Luftdruck im Reifen über die Kontaktfläche zum Boden abgestützt werden. Hat der Reifen mehr Volumen, vergrößert sich in der Regel auch seine Aufstandsfläche. Dadurch genügt weniger Luftdruck, um dieselbe Last zu tragen.

Zusätzlich verändert sich mit dem Volumen auch die Federcharakteristik des Reifens. Luft wirkt als progressive Feder – je mehr Luftvolumen vorhanden ist, desto nachgiebiger reagiert der Reifen auf kleine Unebenheiten. Ein größerer Reifen ist also nicht nur effizienter bei niedrigem Druck, sondern oft auch komfortabler und besser kontrollierbar auf wechselndem Untergrund.

breite:volumen

VOLUMENZUWACHS in %

Was bedeuten diese Zahlen in der Praxis?

Die Zahlen zeigen klar: Ein breiterer Reifen führt zu einem signifikanten Volumenzuwachs. Ein 50-mm-Reifen hat über dreimal so viel Volumen wie ein klassischer 28-mm-Reifen. Das hat direkte Auswirkungen:

  • Mehr Komfort: Geringerer Luftdruck und bessere Dämpfung sorgen für ein angenehmeres Fahrgefühl.

  • Bessere Traktion: Die Aufstandsfläche des Reifens erhöht sich, was zu mehr Grip führt.

  • Weniger Rollwiderstand auf unebenem Untergrund: Paradoxerweise kann ein breiterer Reifen auf Schotter und ruppigem Asphalt effizienter rollen als ein schmaler, da er weniger Energie durch Vibrationen verliert.

2. Weniger Druck = Weniger Wattverlust

Weniger Druck bedeutet: mehr Verformung, aber auch mehr Anpassung an den Untergrund. Und genau hier entsteht ein messbarer Effizienzvorteil – vor allem auf rauem Terrain.

Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Testreihe von Gravaa auf dem berüchtigten Kopfsteinpflaster von Paris-Roubaix.

Gravaa entwickelt Naben mit integrierter Technologie zur Fernsteuerung des Reifendrucks – ein Prinzip, das in der Landwirtschaft schon lange etabliert ist. Dort dient es dazu, den Wechsel zwischen Straßenfahrt und schonender Feldbearbeitung effizient zu gestalten.

Auch im Radsport zeigt sich: Die Möglichkeit, den Reifendruck aktiv an wechselnde Bedingungen anzupassen, macht das Zusammenspiel von Effizienz, Traktion und Komfort erst wirklich steuerbar.

Getestet wurden verschiedene Reifendrücke auf realen Kopfsteinpflasterabschnitten unter Laborbedingungen mit Leistungsmessern:

Warum das so ist:

  • Reifen mit hohem Druck verlieren Energie durch vertikale Bewegung (Hüpfen).

  • Bei niedrigerem Druck „fließt“ der Reifen über Unebenheiten.

  • Vibrationen kosten Watt – nicht der Rollwiderstand per se.

Takeaway für Performance-Fahrer:
Jede unnötige Vibration wird durch deine Beine kompensiert. Weniger Druck = weniger Erschütterung = weniger Energieverlust. Besonders relevant für Gravel, Roubaix-ähnliche Rennen oder Allroad-Setups.

3. Breitere Reifen ≠ mehr Rollwiderstand

Das Gegenargument vieler Traditionalisten: Breite Reifen rollen schlechter. Die Realität ist differenzierter. Rollwiderstand entsteht nicht durch die Breite, sondern durch Energieverluste im Reifenmaterial – genauer: durch seine Hysterese.

Ein oft unterschätzter Teil dieses Widerstands entsteht, wenn der Reifen sich beim Abrollen verformt – also an der Kontaktfläche komprimiert und danach wieder entspannt wird. Dabei geht Energie verloren, nicht durch Luftwiderstand oder Gleitreibung, sondern durch die interne Reibung im Gummi und in der Karkasse: das ist Hysterese.

Man kann sich das vorstellen wie bei einem Schaumstoff mit Memory-Effekt. Drückt man ihn zusammen, dauert es einen Moment, bis er in seine ursprüngliche Form zurückkehrt – ein Teil der Energie bleibt im Material „hängen“. Ähnlich verhält es sich beim Reifen: Je härter oder träger das Material, desto mehr Energie wird bei jeder Umdrehung in Wärme umgewandelt.

Reifen mit flexibler Karkasse, niedrigerem Druck und gutem Dämpfungsverhalten minimieren diesen Effekt – und rollen effizienter, obwohl sie größer wirken. Deshalb schneiden viele moderne Hochvolumenreifen in Rollwiderstandstests besser ab als schmale, harte Reifen.

Tests von Bicycle Rolling Resistance zeigen:

Rollwiderstand in W

Anhand der folgenden Grafik wird schnell klar:

Nicht die Breite eines Reifens bestimmt den Rollwiderstand – sondern die Bauart der Karkasse.

Der direkte Vergleich zwischen dem Goodyear Connector in 35 mm und dem Tufo Thundero in 48 mm zeigt deutlich, worauf es ankommt. Beide Reifen verfügen über ein ähnliches Profil, doch der Tufo ist fast doppelt so voluminös – und dabei deutlich effizienter: Bei niedrigem Druck liegt sein Rollwiderstand bei nur 18 Watt, während der Goodyear 31 Watt verbraucht. Das entspricht einer Reduktion um rund 42 %. Entscheidend ist dabei nicht allein das Volumen, sondern vor allem die Bauweise: Der Tufo rollt effizienter, weil seine Karkasse geschmeidiger ist und dadurch weniger Energie durch Hystereseverluste im Material verloren geht.

Breite ist nicht das Problem – schlechte Karkassen sind es.

Wer also maximale Effizienz sucht, sollte nicht nur auf Breite und Profil, sondern vor allem auf die Materialstruktur und Karkassenqualität achten. Die besten Reifen vereinen hohes Volumen mit geringer Hysterese – und fahren sich damit nicht nur komfortabler, sondern auch messbar schneller.

Fazit: Luft ist nicht gleich Luft. Und breit ist nicht langsam.

Moderne Reifen breiter zu fahren, hat viele Vorteile – und keine echten Nachteile mehr, solange man das Setup versteht. Mehr Volumen erlaubt niedrigeren Druck, und das reduziert nicht nur Vibrationen, sondern auch echten Energieverbrauch.

Ein oft übersehener Faktor in diesem Zusammenhang ist die Maulweite der Felge. Sie bestimmt, wie stabil und formschlüssig ein Reifen auf der Felge sitzt – und wie viel nutzbares Luftvolumen tatsächlich zur Verfügung steht. Breite Felgen ermöglichen es, Reifen mit größerem Querschnitt effizienter zu fahren: Die Karkasse stützt sich besser ab, die Aufstandsfläche wird kontrollierbarer, und der Reifen kann bei niedrigerem Druck seine Vorteile besser ausspielen. Für Fahrer*innen, die mit Druck und Volumen aktiv arbeiten wollen, ist die Felgeninnenweite deshalb kein Nebenschauplatz – sondern ein zentrales Bauteil im Setup.

Ob Gravel oder Straße – breit fährt smarter.

Hinweis: Wer mehr über Laufräder mit breiten Maulweiten erfahren möchte – unsere G745 PRO und G745 ELITE mit ihren 29 mm wurden genau für solche Setups entwickelt.